Ihr liebgewonnenen Leser und Leserinnen, heute ist mein Hirn irgendwie stark am Urlaub machen. So viel Leerlauf hatte ich beim Schreiben für euch noch nie im Kopf. Aber hey, ihr wollt die nächsten Happen für die Grauen Zellen und der Fabian hat sich bereits durch die Bilder gearbeitet. Also reiße auch ich mich mal zusammen. Sobald meine Kaffeemaschine wieder arbeitet, wird das sicher auch besser werden. Sehr ähnlich wie heute, wo ich diese Zeilen schreibe, ging es mir auch am Freitag. Tage zuvor hatte ich noch den Marcelo von Surgical Strike getroffen und ihn mit der Idee eines Videos von deren Gig infiziert. Aufgrund der unheiligen Zeit von deren Gig hatte ich ja ein klein wenig schlechtes Gewissen, als ich den Michael von baalphemor ins Gespräch brachte. Im Nachhinein hatte sich das aber ausgezahlt. Den ersten sneek peaks nach zu urteilen, sind das sehr geile Aufnahmen geworden, die nun nach und nach veröffentlicht werden. Warum schlechtes Gewissen mag man sich fragen. Vorbereitung ist alles und bei so einem frühen Termin, den Surgical Strike als Vertretung für Defects einnahmen, musste Michael als Kameramann sau zeitig an der Bühne erscheinen. Aber von nix, kommt nix. Ich für meinen faulen Teil schaffte es erst zu den letzten drei Songs vor die Bühne. Ihr kennt sicher das Video mit dem Bären, der nach seinem Winterschlaf die Höhle verlässt; ja so ähnlich sah ich wohl aus. Das konnte ich niemandem antun, sodass erst mal Kaffee und eine Dusche sein mussten. Und ich habe es sofort bereut. Schon die Klänge, die ich am Lager hörte, trieben mich zur Eile und das wurde mit jedem Schritt Richtung Bühne schlimmer. Ich genauso wie sicher einige, die es vielleicht noch nicht mitbekommen hatten, dass »Surgical Strike« spielen würden. Leider war dieser Wechsel so kurzfristig notwendig geworden, dass im Heft zum Rockharz 2024 noch Defects aufgeführt war.
Surgical Strike
Nach diesem geilen Start in den Festivaltag übernahm eine weitere Band die Bühne, die ich bereits live dieses Jahr erleben durfte. Und sehr schätzen lernen durfte. The Night Eternal hatten den zweiten Slot. Mittlerweile hat die Orthese, die der Sänger noch auf dem Metal Frenzy Festival tragen musste, ihren Weg in eine Abstellkammer gefunden, sodass er seine Mannen zur vollen Power anführen konnte. Samtene Stimme, die an die alten Alben von Killswitch Engage und deren Sänger erinnern. Um einiges sanfter im Sound, aber nicht minder druckvoll. Mit dieser Mischung sind sie ganz knapp an dem Prädikat Perle des Tages vorbeigeschrammt.
The Night Eternal
Die anschließende Band war ein Wachmacher erster Güte. League of Distortion prügelten mir den letzten Rost aus den Gehörgängen und den Gelenken. Ich würde lügen, würde ich sagen, dass da nicht auch was fürs Auge dabei war, aber in erster Linie muss ich die frische Power geladene Musik erwähnen. Alles, was mich aus einer Kaffeeschlange löst und das Bestellen fast vergessen lässt, muss etwas absolut Beeindruckendes haben. Auch diese Band kannte ich zuvor nicht, schrieb ich mir aber umgehend auf meine muss ich live nochmal sehen Liste. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass diese Band noch häufiger in unseren Gefilden zu sehen sein wird, und mein Bauch sagte noch dazu, das ist definitiv eine Liveband und keine, die sich auf einen Tonträger in voller Güte bannen lässt.
League of Distortion
Nicht weniger Spaß als ihre Vorgänger auf der Nachbarbühne machten Vogelfrey. Ganz andere Zielgruppe, aber denkste. Gefühlt machten die Fans einfach ein paar Schritte zur Seite und feierten weiter. Wahrscheinlich genau, weil Vogelfrey einfach anders sind und sich selbst so null ernst nehmen und dabei trotzdem grandiose Musiker sind, die keinen vor der Bühne im Trauer- oder Faulenzerregen stehen lassen. Wer es schafft, Scooter so zu covern, dass alle Metalheads es feiern und wild dazu tanzen, der ist ganz genau da, wo er hingehört. Auf einer der zwei Bühnen des Rockharz.
Vogelfrey
Über Spidergawd weiß ich genauso wenig wie sicher fast alle der Besucher. Wie zur Hölle muss sich die Bandgründung abgespielt haben, wenn man eine Band zusammenstellt, die auf dem Rockharz spielt und dabei ein Baritonsaxophon im Line-up hat. Ich verspreche hiermit hoch und heilig, dass ich sie fragen werde und es hier oder auf Facebook berichten werde. Denn ganz ehrlich, diese Mischung an Instrumenten war einfach grandios. Die Band ist gerade auf kleiner Deutschlandtour. Wenn sich jemand bewogen fühlt, diesen norwegischen Hardrock/Heavy Metal mit fettem Saxofon noch einmal live zu erleben, Karten sind bestimmt noch zu bekommen.
Spidergawd
Von dieser Avantgarde kamen wir dann wieder zu etwas Altbewährtem. Unearth spielten auf der Dark Stage. Die Metalcoreiconen aus dem unaussprechlichen Bundesstaat der USA gibt es schon seit 1998. Merkt man. Wer jetzt was Böses denkt und unken, dass die zu alt sind, um eine richtig geile Show abzuliefern, der möge bitte zwingend zu einem Konzert der aus Massachusetts stammenden Musiker gehen. Wenn da dann genauso viel Platz wie auf dem Rockharz ist, dann macht euch darauf gefasst, dass euch die aggressive und in die Fresse Show, in einen Monster Moshpit oder wahlweise Circlepit hineinreisen wird. Genauso erging es tausenden Fans auf dem Rockharz.
Unearth
Nach diesem eskalierenden Kalorienverbrennen gab es für fast alle Beteiligten eine echte Verschnaufpause. Bis auf das Team um den Sound auf und vor der Bühne dürften selbst die Bühnencrew eine kleine Verschnaufpause bekommen haben. Van Canto, die allseits beliebten A cappella Künstler holten aus, viele bekannte Klassiker fast ohne jedes Instrument zu intonieren. Was sangen sie, sie sangen praktisch alles, was sie als Band groß gemacht hatte. Die Wünsche der Band wurden dazu auch noch erfüllt. So gingen neben den „gewöhnlichen“ Crowdsurfern auch einige Bauchläden nebst ihrem dazugehörigen Personal auf die Reise. Und dazu gab es, wie gewünscht, auch einige Boote, die ihren Weg über die Hände der Fans Richtung Bühne suchten.
Van Canto
Nach diesem wunderbaren mitsingbarem Auftritt gab es auf der Rock Stage nun einen absoluten Genrewechsel. Einhergehend kam es mir so vor, als dass die Minen der Fans deutlich gealtert waren und die Kutten deutliche Spuren von Abnutzung aufwiesen. Benediction, Death-Metal at its best. Die britische Band, die es seit deutlich mehr als 30 Jahren gibt, war der Grund für die Änderung der Zuschauer. Die Macher des Rock-Harz schaffen es so immer wieder, dass sich alle Genres angesprochen fühlen und sich für jeden Fan ein Fenster ergibt, wo es sich zeitmäßig ergibt, das gesamte Gelände zu erkunden. Neben dem großen Markt gab es auch viele Stände von Organisationen, die es zu erkunden lohnten. Die, die sich an den vielen Essensständen vorbei vor das Infield begaben, fanden dort einige der erwähnten Organisationen. Näheres schreibe ich noch mal genauer auf. Versprochen. Ich selbst tat mich etwas schwer, die Zeit zu finden. Als ich es dann mal schaffte, blieb ich beim großen Bierstand hängen. Dieser wurde am Freitag von den Mitgliedern des Braunschweiger Metalclubs »Hotel666.ev« in Zusammenarbeit mit der Braunschweiger Kneipe »Klaue« betrieben. Da die Einnahmen gespendet wurden, konnte ich natürlich nicht umher, etwas spendabel zu sein. So wie ich später erfuhr, waren das wohl echt ’ne Menge Menschen. Metalfans sind einfach nette Menschen.
Benediction
Die zweite alteingesessene Musikervereinigung war Dying Fetus. Die Band, ebenfalls aus Amerika, nur nicht aus dem unaussprechlichen Bundesstaat, gibt es seit nunmehr über 30 Jahren. Diese Herren haben ihre Bandwurzeln in der ehemaligen Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Annapolis im beschaulichen Maryland. Wobei Annapolis selbst auch eine fast schon possierliche Stadt ist. Mit rund 40k Einwohnern schien den Herren, um John Gallagher sicher teils die Decke auf den Kopf zu fallen und die viele Politik, die sich in ihrer Heimat zugetragen hatte, inspirierte sie zu ihren Texten. Das Ergebnis war ein Death-Metal der sich gewaschen hatte. Das knallte damals sicher noch fieser in den Köpfen der Zuhörer, als es die Musik heute tut. Heutzutage ist Death-Metal ein fester Bestandteil eines Festivals wie dem Rockharz. Und hey, wer diese Musik feiert und nicht bei deren Gig war, hat definitiv etwas verpasst.
Dying Fetus
Im Anschluss tummelten sich auf einmal seltsame Gestalten auf der Bühne herum. Fotografen und dazu Menschen in Hawaii-Hemden und eine andere Fraktion in grünen T-Shirts. In diesem kurzen Moment war der Graben von den Fotomukeln besetzt. Und das aus einem triftigen Grund. Dass das Festival so wunderbar sicher und kontrolliert ablief, war zu einem großen Teil den Grabenschlampen zu verdanken. Das waren und sind die Menschen, die im Graben vor der Bühne für eure Sicherheit sorgen. Auch wenn die bisweilen groß und mächtig ausschauen, das sind allesamt großartige Menschen. Wenn ihr mal Fragen habt oder nicht weiterwisst und ihr einen Menschen mit passendem T-Shirt seht, geht hin und fragt. Ihr werdet ganz sicher eine Antwort bekommen, die euch weiterhilft. Und über eine Flasche Wasser oder Cola sind die immer dankbar. 10 Stunden und mehr für euch im Graben bei teils brutaler Hitze ist nicht immer eine Freude. Aber die Menschen in Grün und Bunt sind so sehr mit Ihrem Job verbunden, dass Sie immer für euch durchhalten und da sind.
Nachdem dieser Teil der Helden des Festivals die Bühne wieder verlassen hatte, begann nebenan Power Metal den Tag zu verfeinern. Unleash The Archers bannten die Festivalbesucher vor der Bühne. Female Fronted, dazu virtuose Bass- und Gitarrenläufe und das Ganze gemischt als Musik. Ich hatte mich sehr darauf gefreut und wurde nicht enttäuscht. Miss »Slayes« klingt live nahezu genauso geil wie auf Platte. Und da war es egal, ob sie sanft oder aggressiv ihre Stimme einsetzte. Die instrumentalen Kapriolen, die schon was von Progressiv-Metal hatten, ob ihrer Komplexität, taten diesem Auftritt nur gut. Für mich war es eine Freude, diese Kanadier mal live erleben zu dürfen.
Unleash the Archers
Nun kommen wir zu einer Band, die meine Perle des Tages war. Ich kannte sie nicht, obwohl man mir sagte, dass es sie schon ewig gibt. Kissin‘ Dynamite ihr Name. Scheiße, das war ein geiler Sound. War das eine geile, mitreißende Show. Dafür ließ ich sogar meinen Kaffee stehen. Schwaben, die einen Bluesrock spielen, wie er meiner Meinung nach sein muss. Hört es euch an, ich kann diese Gutelaunefabrik nur empfehlen. Wilde Frisuren inbegriffen. Und es ist keine Perücke, zumindest nicht beim Sänger. Gegründet 2007 und hoffentlich nicht das letzte Mal in meinen Ohren live erlebbar gewesen.
Kissin´ Dynamite
Gemäß dem Motto, dass es immer auch den Wechsel der Generes geben muss, gab es danach Suicidal Tendencies. Eine Legende mit über 40 Jahren Bandgeschichte. Kennt ihr nicht, ihr habt was verpasst. Einige werden den Namen sicher bereits zumindest am Rande wahrgenommen haben. Alleine, da einer der ehemaligen Bassisten der Band ein mittlerweile sehr berühmter Musiker geworden ist. Großartig war er damals schon. Robert Trujillo, seines Zeichens mittlerweile Bassist bei Metallica, ist alleine schon ein Zeichen dafür, was für Ausnahmetalente in dieser Band spielen. Und um die Tradition an großartigen Musikern an die jungen Generationen weiterzugeben, spielt heutzutage ein weiteres bekanntes Gesicht den Bass. Bekannt als Gastmusiker bei Korn und als Gitarrenvirtuose bei Stranger Things, wo er Master of Puppets spielte, ist Tye Trujillo mittlerweile fest als Basser bei Suicidal Tendencies etabliert. Somit führt die junge Generation der Familie Trujillo das Werk des Vaters fort. So selten wie es ist, sie live erleben zu können, war es fast zu erwarten, dass sie den Trubel auf einem Wacken meiden und die Fans in Deutschland beim Rockharz ihre Aufwartung machen. Legendärer Auftritt.
Suicidal Tendencies
Nun wurde es heiß auf der Bühne. Amaranthe spielten auf der Rock Stage. Ja, ich gebe es zu, ich wollte sie sehen und die Band hören. Leider konnte ich das Konzert nicht vor der Bühne genießen. Da ich mir leider fies den Rücken verknackst hatte, lag ich einen Teil des Konzertes auf einer Massageliege. Trotz der gnadenlos sanften Hände Ullis von Happy Hands musste ich doch das ein oder andere Mal die Zähne zusammen beißen. Rücken ist fast solch ein Festivalkiller wie Körper. Aber sie hat es hinbekommen. Im Nachhinein habe ich von einem Kumpel erfahren, dass ich ein echtes Weichei war. Der hatte mit angebrochenem Schienbein das Festival durchgestanden. Zu den letzten Songs schaffte ich es aber immerhin in die hinteren Reihen und muss sagen, die Band ist live wirklich gut. Als ich im Vorfeld die Aufnahmen vom Gig auf dem Wacken 2023 gehört hatte, hatte ich die schlimmsten Befürchtungen. Das, was die Band auf dem Rockharz abgeliefert hatte, war damit nicht zu vergleichen. Live lohnen die sich ebenso wie von Platte.
Amaranthe
Dann gab es etwas Unerwartetes. Es gab Enten und eine riesige Ente. Alestorm brachten einen Sturm der abgedrehten, entfesselten guter Laune über das Infield. Ich glaube, dass ich dieses Mal das erste Mal ein Konzert von denen so halbwegs nüchtern erlebt habe. Und das werde ich wieder tun. Das war so erfrischend und abgedreht. Aus den hinteren Reihen sah das Bühnenbild aus, als ob ein irrer und musikalischer Kobold vor einer riesigen leuchtenden Ente einen Zaubertanz aufführte, der eine Stunde lang nicht enden wollte. Geile Bühnenshow und dazu tolle Lichteffekte mit toller Musik. Bin das nächste Mal auf jeden Fall wieder dabei.
Alestorm
Nach diesem Frohsinn ging es danach in die düsteren Abgründe, angeführt und geleitet von Dimmu Borgir. Die Meister der „Dunklen Städte“ hüllten sich wie gewohnt in Nebel und ließen sich dabei von Licht umspielen. Alles zusammen ergab eine Atmosphäre, die ihrer Version von Symphonic-Metal unglaublich zutrug. Ich für meinen Teil würde in deren Musik noch etwas Black mit in den Genrenamen einfließen lassen. Aber was soll das Ganze in Schubladen stecken? Diese Altmeister gibt es seit 1993 und sind damit seit Jahrzehnten absolut erfolgreich. Die Show hier hatte sicher wieder einige Zuhörer zu ihnen bekehrt.
Dimmu Borgir
Den Abschluss des Freitags gaben die, im positiven Sinne gemeinten, Irren aus Italien. Nanowar Of Steel machten wirklich alles richtig, um die Massen vor den Bühnen, das allerletzte Quäntchen an Power aus den geschundenen Knochen zu kitzeln. Selbst die Chefin persönlich entspannte sich bei diesem Auftritt. Einfach klasse und etwas Italienisch konnten wir auch noch lernen. Ich für meinen Teil feierte wohl mit etwas zu gut gebrautem Gerstensaft. Zumindest habe ich nur noch im Kopf, dass es etwas mit Eulen zu tun hatte und auf den Bildern ist auch eine zusehen. Also muss ich noch etwas recherchieren, oder vielleicht behalte ich einfach ein Tütü in Erinnerung, vielleicht das einfachere.