Open the Gates of Hell. Wie vorhergesagt, hat sich die Himmel gedacht, zum Abschluss des 30ten Geburtstages vom Rockharz Open Air wird das Thermostat nochmal bis zum Anschlag aufgedreht. Die Hitze ist bereits ab 10 Uhr kaum noch zu ertragen. Somit fällt das Frühstück etwas bescheidener, dafür aber mit mehr Kaffee sicherlich dem Wetter nicht angepasst aus. Aber viel essen und Grundlage schaffen ist einfach nicht drin.
In meinem Zelt laufen mittlerweile zeitweise drei Ventilatoren. Also Sonnencreme der Kategorie 50+ aufgetragen und ab Richtung Infield. Sonne macht albern. Den Spruch aus der Gothicscene muss ich auch mal hierherbringen. Die Leute sind wirklich gut drauf. Kein Gemurre oder irgendwie schlechte Laune. Zumindest in meiner Umgebung. Aber bei über 25`000 Menschen wird es das sicher auch andere geben. Es wäre kein Metalfestival, wenn es da nicht auch Lösungen gäbe, die kein Chaos beinhalten würden.
Das Infield ist auf den ersten Blick leer, bis mir auffällt, dass alle Flächen, die sich im Schatten befinden, von Unmengen an Menschen, dicht and dicht bevölkert werden. Einige wenige werden mit Großbestellungen zu den Getränkeständen geschickt, um die Verdorrenden zu versorgen.
Niemand wird zurückgelassen, den heute kommen noch einige richtig geile Bands.
Das wird gut.
Ich schlendre zum nächstgelegenen Bierstand und erstehe ein alkoholfreies Bier. Meine Kamera. Schwarz wie die Nacht wird langsam in meiner Hand zu einem sehr sehr schweren Backstein. Schwarz ist ja eine schöne „Farbe“, aber manchmal etwas unpraktisch.
Den Tag beginnt mit Voodoo Kiss. Eine Kombo, die es irgendwie geschafft hat, Iron Maiden und Voodoo zu vereinen. Ja woll ja, da schmeckt das Alkoholfreie noch etwas besser. Die machen echt Spaß, man darf nur nicht wegschauen. Zumindest ich denke dann immer, da steht Bruce Dickinson auf der Bühne, also eine sehr junge Version von ihm.
Die Fortsetzung des letzten Festivaltages bestreiten Soulbound, eine Deutsche Band aus der beschaulichen Stadt Bielefeld. Ja, die Stadt gibt es, ich war dort.
Versteht mich nicht falsch, Sie machen Ihre Sache super und die Menge an Fans, die sich trotz der sengenden Hitze vor der Bühne eingefunden haben, strafen meinen Hörgeschmack sicher lügen, aber ich kann Soulbound nicht wirklich in eine Schublade des Metals stecken. Das Musikkonzept kann ich auch nicht wirklich einsortieren. Aber es ist mal was anderes, dass die Stimme des Sängers in derselben Lautstärke wie alle anderen Instrumente abgemischt ist und so keines der Bandmitglieder einen tragenden Part spielt. Das ist gelebte Gleichberechtigung.
A Life Divided sind da eher das Gegenteil. Es ist nicht durchchoreografiert, aber die Schwerpunkte sind viel deutlicher zu bestimmen. Ob es der Gesang, oder die Gitarren sind. Jeder Moment Ihres Auftrittes hat seine gut abgestimmte Berechtigung, genau dann und nur so gespielt zu werden. So langsam tritt der Herr Plangger wirklich aus den Schatten seines Hauptarbeitgebers Eisbrecher heraus.
Verdammt, da verschlucke ich mich glatt am Burger, als ich etwas höre, das wie, was sehr Bekanntes aus Australien klingt. Bis ich die ersten Worte beginne zu verstehen. Dat is ja Deutsch. Dat is ja Hamburger Platt. AC DC auf Hamburger Platt, gespielt und gelebt von der Band OHRENFEINDT – Vollgasrock!!! aus St. Pauli. Sehr geil, stumpf auf die gerade mit Burger gefüllte Kauleiste. Bin dabei. Dat höre ich mir doch mal nicht nur aus der Ferne an. Also ab auf die Staubplatte vor der Bühne. Knirscht etwas zwischen den Zähnen, aber läuft.
Nun geht es deutlich weiter in den Norden und das auch deutlich brachialer. Die armen Herren von Einherjer leiden unter Garantie auf der Bühne ebenso wie die Metaler, die die Hardrocker vor der Bühne ablösen. Die Norweger lassen sich aber nichts anmerken. Die Vikingmetaler vom Polarkreis, sind scheinbar mit allem gesegnet, was Odin in seinen Kellern so zu lagern gedenkt. Wer teils sonderbare Gerüchte über sich erträgt, kommt auch mit höllengleichen Temperaturen zurecht.
Nun übergeben die Herren aus Norwegen an die Nachbarn aus Finnland. Wolfheart Wolfheart gehen an den Start und groulen sich getragen von sauberem Doublebase durch ihren Slot. Das Keyboard unterlegt das Ganze, wie auch die Gitarrensolie mit einer, für den aktuellen Festivaltag, unerreichten Virtuosität.
Die Virtuosität ist nicht das Steckenpferd der nun auf der Bühne schwitzenden Band. Auf die Jungs war ich sehr gespannt und habe mich echt gefreut, deren Namen auf der Running Order gelesen zu haben. Tauschen will momentan ganz sicher niemand mit Ihnen. Die Herren von Wind Rose spielen eine eher seltene Art des Power Metal. Sie spielen Zwergen Metal. Ich deutsche, dass an dieser Stelle mal ein. Ergo sind die Herren auch in kompletten Zwergenkostümen alla Tolkin auf der Bühne. Ich schwitze schon beim Anblick eines Fells, die tragen die Dinger in dieser brütenden Hitze auf der Bühne. Na ja, die Herren stammen aus Italien und sind Hitze sicher besser gewöhnt als unsereins. Und so kann ich nur ein sagen, wenn die Vertreter des Zwergen Power Metals alle so viel Spaß machen und so gut sind. Mehr davon.
Nun kommt eine Klischeeerfüffung aus Holland. Was ganz und gar nicht negativ zu verstehen sein soll. Mit Legion of the Damned sind jetzt auch die Vertreter des ganz klassischen DeathMetal am Start. Und das Genre bedient sich nun mal nicht selten einiger Klischees. Entweder bei den Texten, oder bei den Shows. Aber das muss so sein und es ist erfrischend zu erleben, dass sich manche Bands auf ein Kerngenre stürzen und auch konsequent dabeibleiben. Hin und wieder verirren sich kleine Andeutungen von Thrashmetal in den Auftritt, aber das ist so gut eingepasst, dass es für meinen Geschmack null auffällt oder gar den DeathMetal irgendwie stört. Geiler Auftritt.
Zwischendurch konnte ich einen sehr privilegierten Blick hinter die Kulissen werfen. Ein mir mittlerweile sehr liebgewordener Mensch hatte einen Stand im Artist Village des Rockharz. Andreas Thiemann, seines Zeichens einer der begehrtesten Gitarrenbauer Europas. Seine Arbeiten sind so gut, dass Bands wie In Flames und Knorkator teils komplett auf seine Instrumente umgestiegen sind. Dieser wunderbar bescheidene Mensch war dem Ruf des Rockharz gefolgt und hielt die Gitarren und Bassgitarren der Künstler in schuss. Alles, was auf die schnelle und mit der gebotenen Brillanz erledigt werden konnte, machte Andreas mit seiner kleinen Instrumentenschiede t.man guitars möglich. Zwischendurch wechselte noch, das ein oder andere Instrument den Besitzer. Zu Andreas und t.man guitars wird es als Bald noch einen eigenen Beitrag geben.
Als Nächstes gaben sich Moonspell die Ehre. Ich hatte die Band als eher entspannend in Erinnerung. So kann man sich irren. Die haben für Ihre Verhältnisse richtig einen rausgehauen und passend zum 30-jährigen Jubiläum des Rockharz Festivals alles an Härte auf die Bühne gebracht, was sie in den Kellern der einzelnen Bandmitglieder wohl jahrelang versteckt hatten. Zum Glück, denn so konnte ich mich zwar null entspannen, aber dafür Moonspell in all seiner Präsenz genießen. Lange nicht mehr so gut erlebt.
Mademoiselle Scabbia und Ihre Mannen. Ich war skeptisch. Bei Lacuna Coil kann ein Auftritt leider sehr schnell leiden, wenn der Mischer unachtsam ist. Zum Glück war der Herr oder die Dame es dieses Mal nicht. Selbst der zeitweise auffrischende Wind konnte dem Ton nur sehr kurzzeitig den Atem rauben. Lacuna Coil verstehen es einfach immer Ihre Liveauftritte so zu gestalten, dass sie dem Festival und dem Publikum gerecht werden und genau das haben sie wieder bewiesen. Sie sind einfach eine Bank.
Nun mal wieder ein Rockharztypischer Genrewechsel. Für die Deathmetalfraktion steht Carcass auf der Rock Stage. Kein Schnickschnack, kein gewaltiges Gebilde als Hintergrund. Einfach eine solide und pragmatischgute Show. Je nach Rechnung sind die Herren um Bill Steer nun auch schon fast 38 Jahre im Geschäft. Die müssen niemandem mehr etwas beweisen und haben einfach ein Standing, das man Ihrem Auftritt auch anmerkt.
Als Reminiszenz an alte Alternative Tage hat das Rockharz Life Of Agony Famiglia gebucht. Die Dame mit ihren Herren haben einen soliden Auftritt abgeliefert. Mina Caputo machte die Hitze anscheinend mehr zu schaffen als ihren Bandkollegen, sodass sie sich durchaus stimmgewaltig sitzend durch den Auftritt brachte. Es gab Zeiten, wo sie gesanglich nicht ganz auf der Höhe war, aber diesmal muss ich sagen, hatte sie einen Lauf und Ihr Gesang war wirklich super. Teils erinnerte Sie mich an die ganz alten Zeiten.
Manch eine Band braucht keine Werbung. Lord Of The Lost gehören sicher dazu. Die Band ist eher eine Rockharzuntypische Band, aber nichtsdestotrotz eine absolut Sehenswerte. Ich konnte sie mir schon einige Male in den vergangenen Jahren (Das unsägliche C mal ausgenommen) live anschauen. Egal wie ich es drehe oder wende, die werden einfach immer besser und bombastischer. Auch wenn ich Lord Of The Lost nicht direkt auf dem Rockharz erwartet habe, oder damit verbinde, muss ich neidlos eingestehen, scheiße, das war ein richtig geiler Auftritt. Hoffentlich das nächste Mal, wenn es noch dunkler ist. Ich glaube, dann ist die Show noch beeindruckender.
Saltatio Mortis ist und wird immer mehr zu einer Headlinergruppe. Himmel haben die eine Show rausgehauen. Feuer und Party. Dieses Mal passte bei Ihrem Auftritt einfach alles. Selbst die Flammen waren im Takt. Im Vorfeld unkten einige, dass die Flammen nicht immer so ganz im Takt sind. Dieses Mal haben die Herren von Saltatio, das ganz große Besteck aufgefahren. Und als Bonus kam die Werte Mademoiselle Scabbia mit auf die Bühne, um ein Duett zu singen. Hier gab es den einzigen kleinen Patzer des gesamten Auftritts. Das Mikrofon von Ihr funktionierte nicht, also nahm Jörg Roth sie kurzerhand einfach in den Arm und sie sangen in ein gemeinsames Mikrofon. Ein toller und intensiver Auftritt.
Nun kommt etwas, worauf alle richtig gespannt waren. Das große Farewell des Festivals stand an. Auf der Bühne versammelten sich alldiejenigen, die zur Crew des Rockharz zählten und gerade nicht an den unzähligen Positionen gebraucht wurden. Es ist unglaublich, wie viele Menschen es benötigt umso ein großartiges Festival zu stemmen und am Laufen zu halten. Denn alle hätten auf die Bühne gemusst, hätte sicher nicht mal der Platz der beiden Bühnen zusammen ausgereicht, um allen Crewmitgliedern Platz zu bieten. Ich schließe mich dem Dank der Geschäftsführung an. Das war großartige Arbeit, die die Crew da abgeliefert hat. Danke.
Aus Walhall zu uns herabgestiegen, betrat inzwischen der Headliner die Bühne. Die Auftritte von Amon Amarth bereiten jedem, der ein Konzert von Ihnen besucht, immer wieder die reinste Freude. Was soll man von jemanden auch erwarten, der in einem Interview auf die Frage, was ihm an seinem Job am besten gefällt, als Antwort gibt: Ich werde dafür bezahlt, tausende Menschen stundenlang anbrüllen zu dürfen und alle feiern es. Was kann es Besseres geben! (Zitat sinngemäß). Er macht das, was ihm Spaß macht und das überträgt sich einfach auf alle. Die Band, sowie auf das gesamte Publikum. Ich bin mir absolut sicher, dass auf dem Campingplatz niemand mehr zu finden war, der noch irgendwie laufen oder kriechen konnte. Feuer, CO₂ und ein riesigen Schiff auf der Bühne, das sich erst im Laufe des Konzertes zeigte. Einfach bombastisch. Erik der Rote ist sicher stolz auf seine Nachfahren.
Den Abschluss des Rockharz gibt eine Kapelle, die sich um Phil Campbell and the Bastard Sons, demGitarristen von Mötorhead gebildet hat. Die Band bildete sich 2016 recht spontan vor dem Wacken Open Air.
Da Herr Campbell einen ausgesprochen musikalisch begabten Nachwuchs hat, lag es nahe dieses in das Projekt mit einzubinden. Somit ergab sich auch der Name der Band. Phill Cambpell & The Bastard Sons. Und was anderes sollte zu einem derartigen Anlass wie dem 30-jährigen Jubiläum gespielt werden. Natürlich etwas, dass einer solchen Festivallegende wie dem Rockharz Open Air würdig ist. Mötorhead at its Best, nur leider ohne den Großmeister. Vielleicht wäre das ein Auftritt für Gregor von Volter gewesen. Dann allerdings wäre die Stimmung, die so schon am Siedepunkt war, komplett unkontrollierbar gewesen.
So war es eine wunderbare Kombination aus Tradition, aus Stimmung und etwas Wehmut, die den Abschluss eines wirklich gelungenen Rockharz 2023 bildetet.